Mutter am Telefon. Auf ihrem Schoss sitzt ihre Tochter mit Teddy. Die Mutter ist am Laptop
Homeoffice mit Kindern kann für beide Seiten unbefriedigend sein. Bild: PantherMediaSeller / Depositphotos

Wo liegen die Herausforderungen im Homeoffice mit Kindern und wo vielleicht auch die Vorteile? Die pädagogische Psychologin und Paar- und Familientherapeutin Franziska Bischof-Jäggi verrät, welche psychischen Belastungen auf Eltern und Kinder dabei zukommen können. 

Franziska Bischof-Jäggi, Homeoffice mit Kindern. Fluch oder Segen? 

Beides. In Notfallsituationen ist Homeoffice mit Kindern absolut richtig und wichtig. Das heisst, wenn ein Kind krank oder verletzt ist oder sonst eine aussergewöhnliche Situation herrscht. Da darf man auch mal auf unpädagogische Massnahmen zurückgreifen, wie einen Film schauen lassen. Aber als generelle Lösung finde ich Homeoffice mit Kindern nicht richtig. Denn sowohl die Arbeit, die eigenen Bedürfnisse, die Beziehung zum Kind und umgekehrt, als auch die Bedürfnisse des Kindes kommen immer zu kurz. Und alle sind gestresst. Es sind einfach zu viele Bedürfnisse, die zusammenkommen, was schlicht nicht aufgehen kann. 

Trotzdem gibt es Menschen, bei denen es nicht anders geht. Was gilt es für sie besonders zu beachten? 

Es ist wichtig, dass die Kinder konstante Bezugspersonen haben, die für sie da sind. Egal, ob es Mama, Papa, Tante, ein Grosselternteil, eine Nanny oder eine Nachbarin ist. Aber es muss eine Kontinuität, eine Verlässlichkeit da sein. Wenn der Elternteil im Homeoffice dem Kind sagt «Ich muss jetzt arbeiten, lass mich bitte», impliziert das dem Kind, dass es emotional nicht an erster Stelle steht. Kinder sind bis zu einem gewissen Alter egozentrisch. Bis etwa sechs Jahre hat das Kind das Gefühl, die Welt dreht sich um es und dass es daher auch wichtiger ist als die Arbeit. Und das ist auch richtig so. Das kann ich dem Kind aber nicht zeigen, wenn ich gleichzeitig einen Termin oder ein Meeting einhalten muss.  

Was sind die grössten Herausforderungen, denen Eltern im Homeoffice mit Kindern begegnen? 

Dass zu viele Bedürfnisse auf einmal aufeinanderprallen. Die arbeitende Mutter oder der arbeitende Vater muss bei der Arbeit sein, gleichzeitig aber auch beim Kind. Me-Time findet überhaupt nicht statt. Am Schluss sitzen alle gestresst beim Abendessen und es gibt Streit, weil jeder das Gefühl hat, er sei zu kurz gekommen. Und die Arbeit auch noch dazu. Das ist unbefriedigend für alle und gibt eine Stimmung, die ich niemandem wünsche. 

Was für psychische Belastungen können durch das Homeoffice für Eltern und Kinder entstehen? 

Durch Stress – was Homeoffice mit Kindern auf jeden Fall verursacht – können Beziehungsprobleme auftreten. Nicht nur in der Beziehung der Eltern, sondern auch zwischen Eltern und Kindern und Geschwistern. Auch können Hierarchieprobleme entstehen, wobei die Eltern dann zu viel auf Belohnung setzen und sagen, «wenn du jetzt still bist, darfst du nachher das und das». Es kann auch zum Gegenteil führen, dass Drohungen dem Kind gegenüber ausgesprochen werden. Das alles führt höchstens zu kurzfristigen Lösungen und längerfristig entstehen ungünstige Konstellationen. Dadurch haben sich neue Formen von Verwahrlosung ergeben. Das sind nicht Verwahrlosungen, wie man sie von früher kennt, sondern Wohlstandsverwahrlosungen. Man ist zwar da, die Kinder haben alles, aber sie haben die emotionale Konstanz und Bindung nicht. Sie haben die Sicherheit nicht, die sie brauchen. 

Franziska Bischof-Jäggi ist unter anderem auch als Dozentin tätig. Bild: zVg

Was macht das mit Kindern? 

Das ist individuell verschieden. Die einen schreien nach Aufmerksamkeit und machen auf sich aufmerksam, indem sie Blödsinn machen und sehr laut sind. Sie können regressieren oder sich frech verhalten. Andere ziehen sich zurück und fressen alles in sich hinein. 

Was für Strategien zur Stressbewältigung können Sie Müttern und Vätern empfehlen, die im Homeoffice arbeiten und gleichzeitig Kinder betreuen müssen? 

Ich empfehle, die Zeiten zu rhythmisieren, indem dem Kind eine Aufgabe gegeben wird, z.B. einen Scherenschnitt zu machen, die Tupperwareschublade ein- oder auszuräumen oder sonst eine einfache Aufgabe und gleichzeitig den Timer auf maximal eine halbe Stunde zu stellen. Danach den Timer wieder stellen und bewusst die Zeit mit dem Kind verbringen und mit ihm spielen. Eventuell kann es hilfreich sein, die Zeiteinheit mit einer immer gleichen und bekannten Musik zu verbinden, so dass das Kind die Zeit besser einschätzen kann. Statt eines Timers kann auch erklärt werden, dass die Zeit, die der grosse Zeiger auf der Küchenuhr braucht, bis er unten ist, gearbeitet wird und die Zeit, bis er wieder oben ist, um zu spielen.  

Inwiefern kann Homeoffice die Partnerschaft von Eltern beeinflussen, wenn beide zuhause arbeiten? 

Die Eltern-, die Partnerschafts- und die logistische Ebene werden vermischt. Das sind ungute Konstellationen. Wo hat die Partnerschaft als Partnerschaft überhaupt noch Platz? Wo sehe ich meinen Partner noch als Lieblingsmenschen, mit dem ich gerne Zeit verbringe und ihn nicht als Entlastung sehe, damit ich «schnell» was erledigen kann?  

Für viele ist es schwierig, eine gute Balance zwischen Arbeit und Familienleben zu finden. Generell, aber auch im Homeoffice. Finden Sie, dass die Arbeitgeber auch in der Verantwortung stehen müssten, um bessere Rahmenbedingungen für Eltern zu schaffen? 

Ja, ganz klar. Wo immer umsetzbar, sollten flexible Arbeitszeiten diskussionslos möglich sein, so dass Eltern auch asynchron arbeiten können. Z.B. arbeitet der Vater sehr früh von 5 bis irgendwann nach dem Mittag und die Mutter arbeitet ab dann. Wenn das mit dem Biorhythmus vereinbar ist, kann das zeitweilig tatsächlich eine Lösung sein. Vor allem wenn gerade die Kinderbetreuung aussteigt, die Kita schliesst oder das Kind krank ist.  

Der Lautstärke-Pegel ist ein wichtiges Kriterium, wenn das Konzept Homeoffice gelingen soll. Bild: Kzenon / Depositphotos 

Wenn Sie ein Notfallkit für Eltern im Homeoffice zusammenstellen könnten, was müsste unbedingt mit rein? 

Eine supergute Kommunikation mit dem Arbeitgeber und dem Partner und allenfalls weiteren involvierten Betreuungspersonen. Eine transparente, offene, saubere Kommunikation und verbindliche Absprachen, wann Pausen eingelegt werden können, wann eine Ablösung möglich ist, wann Meetings stattfinden etc. Und sicher sind auch gute Noise-Cancelling-Kopfhörer wichtig, denn selbst wenn der Arbeitsort gut gelöst in einem anderen Raum ist, kann es zwischendurch hektisch, laut oder nervig werden und die betreuende Person kann mit dem Kind ja nicht immer draussen sein.

Sie sind selbst Mutter von vier Kindern und Unternehmerin. Können Sie von Ihren eigenen Erfahrungen im Homeoffice mit Kindern berichten? 

Ich habe es immer sauber getrennt. Meine Kinder wurden 50 Prozent von einer Tagesmutter betreut. Wir haben von Monat zu Monat geplant, damit ich flexibel arbeiten konnte. Mein Partner und ich haben beide 80 Prozent gearbeitet und die restlichen Tage die Kinderbetreuung übernommen. Wichtig war mir als Mutter wie auch als Berufsperson immer, dort, wo ich war, war ich. Voll und ganz. Wenn ich mit meinen Kindern zusammen war, war ich nicht gleichzeitig am Handy und der Laptop blieb weg. Wenn ich beruflich beschäftigt war, wollte ich aber auch keinen Anruf von einem Kind.  

Immer mehr Unternehmen, vor allem auch grosse, schaffen Homeoffice nach und nach ab. Die Mitarbeitenden müssen wieder zurück in die Büroräumlichkeiten. Was denken Sie darüber? 

Ich finde es schlimm. Einerseits aus Umweltschutzgründen, andererseits finde ich es unnötig. Eine Studie hat gezeigt, dass die Produktivität im Homeoffice um 20 Prozent gesteigert ist. Ich denke, es hat mit Vertrauen zu tun. Vielleicht haben diese Firmen das Gefühl, ihnen sei etwas entglitten. Vielleicht gab es einzelne schwarze Schafe, welche die Homeoffice-Möglichkeiten ausgenutzt haben. Aber die gibt es überall. Sie können auch im Büro in der Firma sitzen und nichts tun.